„Langsame Jungs“ – Mißverständnisse bei der Bewertung von Spermiogrammen

Bild: Spermien unter dem Mikroskop

Zur Beurteilung der männlichen Zeugungsfähigkeit wird neben der körperlichen Untersuchung, einer Ultraschalluntersuchung und Bestimmung einiger Hormonwerten auch eine Untersuchung der Samenflüssigkeit (Ejakulat), ein sog. Spermiogramm durchgeführt.

Für diese Untersuchung gibt des Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wie sie fachgerecht durchgeführt werden muß. Wenn ein Spermiogramm durchgeführt wird, sollte der Mann nachfragen, ob seine Praxis oder das Labor die Untersuchung auch nach WHO durchführt.

Oft wird dem Mann nur ein lapidarer Befund von den Praxismitarbeitern mitgeteilt oder ausgehändigt ohne nähere Erläuterungen durch den Arzt. Darüber sind viele Patienten zu Recht enttäuscht und wünschen sich eigentlich eine individuelle Erläuterung des Befundes. Ein guter Androloge wird dem Patienten in Ruhe erklären, wie der Spermiogrammbefund zu bewerten ist. Denn durch das Spermiogramm werden nur einige physikalisch-chemische Eigenschaften der Samenflüssigkeit und der Samenfäden (Spermien), wie Anzahl, Beweglichkeit, Form u. a. dargestellt, aber keineswegs kann das Spermiogramm alle für die Fruchtbarkeit relevanten Faktoren widerspiegeln. Vielmehr muß das Spermiogramm immer im Zusammenhang mit dem sog. klinischen Befund des Patienten und seiner Krankengeschichte gesehen werden. Das heißt, die Vorerkrankungen, frühere Operationen, eingenommene Medikamente sowie evtl. auffällige Befunde bei den Untersuchungen sind zur Gesamtbeurteilung unbedingt zu berücksichtigen. Und wenn ein Spermiogramm so ausfällt, daß es als nicht normal eingeschätzt wird, muß einige Wochen danach immer noch ein zweites, ggf. ein drittes Spermiogramm durchgeführt werden, um wirklich eine gute Beurteilung der Fruchtbarkeit zu ermöglichen. Denn eine einmalige Ejakulatuntersuchung kann immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Kein Mann hat zweimal im Leben den genau gleichen Spermiogrammbefund.

Ein auffälliger Spermiogrammbefund bedeutet auch keinesfalls immer die Notwendigkeit für eine künstliche Befruchtung, sondern oft können andere Behandlungen, wie z. B. Behandlung einer Hodenkrampfader (Varikozele) oder Medikamente erfolgreich sein.

Als Mann, der ein Spermiogramm in einem sog. Kinderwunschzentrum durchführen läßt, sollte man auch wissen, daß die Frauenärzte dort für die Erlangung der Kostenübernahme für die künstliche Befruchtung durch die Krankenkassen bestimmte Vorgaben bezüglich der Ejakulatqualität erfüllen müssen, sonst dürfen sie die künstliche Befruchtung nicht abrechnen.

Das heißt, wenn die Anzahl und Beweglichkeit der Spermien nur geringfügig eingeschränkt oder sogar relativ gut ist, gibt es keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen ……. die Konsequenz daraus kann man sich leicht ableiten !

Also lassen Sie sich als Mann von einem ausgebildeten Männerarzt (Androloge) und nicht von einem Frauenarzt bezüglich Ihrer Fruchtbarkeit untersuchen und beraten.

Erfreulicherweise hat der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen reagiert und so ist seit Juni 2017 in Deutschland die Untersuchung durch einen Andrologen vor Einleitung der künstlichen Befruchtung erforderlich.

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